du gehst nach langer zeit mal wieder persönlich zum schalter der deutschen bahn. du willst dir einen gutschein ausstellen lassen. den bekommst du dafür, dass dein letzter zug aufgrund eines selbstmörders schlappe 218minuten verspätung hatte. dafür, dass du an einem donnerstagmorgen um 4uhr 13 totmüde nach hause gewankt bist, sollst du 20% des reisepreises bekommen, wenn du innerhalb von 4 wochen das ticket vorlegst.

der typ von der bahn mustert genau den fahrschein und die bestätigung für die verspätung. er beginnt das gespräch damit, dass es eigentlich nicht richtig sei, dass dir dafür 20% gutgeschrieben werden, da es sich um einen vorfall handelt, für den die db ja nichts könne.
du antwortest ihm, dass du dich daran erinnerst, wie müde du am nächsten tag warst und dass du es verschwindend gering finden würdest, nur 20% erstattet zu bekommen.
der mann schüttelt den kopf während er sagt "aber richtig ist das nicht, denn das wäre ja das eigene risiko bei einer bahnfahrt, dass so ein vorfall passieren könne". er beginnt, ein ellenlanges formular auszufüllen.
dich macht das supersauer, du atmest tief durch.
"ich möchte noch eine verbindung nach südfrankreich wissen." du nennst ihm die eckdaten.
"welcher bahnhof soll das denn in paris sein?"
"mir gleich."
"sie müssen mir schon den namen sagen. in paris gibt es 4. und in berlin z.b., da gibt es 30.
"nein", sagst du fest und pfeilschnell "nein, ich muss ihnen das nicht sagen. das erwarte ich ehrlich gesagt von ihnen. und die bahnhöfe von berlin zähle ich ihnen auch nicht auf."
feindselig schauen wir uns an. schweigen. der herr von der bahn tippt und tippt in seinen computer.
dann erzählt er davon, dass er natürlich auch nicht wisse, wie die bahnhöfe in paris heissen und wie sehr es ihn ärgert, dass es immer weniger schalter gibt, weil viele leute im internet tickets kaufen und sie 3 arbeitsplätze allein in altona wegrationalisiert hätten.
bei dir klickt es. du warst mit einem internetticket zu ihm gekommen. so waren für ihn die fronten klar.
du sagst etwas freundliches zu ihm und nach ein paar minuten verabschiedet ihr euch zumindest höflich und angemessen.

dir fällt mal wieder auf, wie angespannt du geworden bist. wie feindselig du alles auffasst. wie sehr du auf angriff aus bist, einen kampf erwartest.

schnellen schrittes gehst du durch die bahnhofshalle. eine obdachlose mit einem fetten veilchen spielt mundharmonika. immer dieselbe melodie, eigentlich ist es noch nicht einmal eine melodie. irgendwas rührt dein herz an und du suchst nach kleingeld. drei minuten brauchst du, bis du den schein von jemand gewechselt bekommen hast. du drückst der frau eine münze in die hand und hastest weiter.

auf dem weg zum zug merkst du, was für eine scheissangst du manchmal hast vor diesem leben.

morgens blut abnehmen und fetten blauen fleck unter pflaster erhalten. auf dem weg zum job mit dem rad fast überfahren worden. 9 stunden gearbeitet, nix mit foto. katzenfutter gekauft. zu hause mit chips und keksen vor dem fernseher. draussen scheint mittlerweile die sonne.

den tag schenkst du dir.

du machst dich um halb 10uhr also auf in die schilleroper. du bist dort noch nie gewesen. chris, der inhaber, hat dich schon vor dem nichtvorhandenen licht gewarnt. und wirklich, er hat nicht untertrieben. im ersten moment möchtest du am liebsten wieder nach hause gehen, denn bei der wohnzimmeratmosphäre mit tischlämpchen und einer baumarkt-leuchte, die mit rot abgedeckt richtung decke zeigt, kannst du fotomässig wahrlich nichts reissen.
du bist bereits auf dem weg nach draussen, da spricht dich chris an. er kennt deine fotos und er möchte, dass du bleibst. ihr schaut gemeinsam nach einer lösung.
bis das konzert beginnt, soll es noch eine stunde dauern, und du gehst vor die tür, um die laue sommernacht zu geniessen. dort sitzt eine kleine gruppe von leuten, und du lernst sie alle kennen. es sind stammgäste, freunde des hauses. im laufe der nächsten stunde erfährst du ein wenig über diese menschen, diesen ort.



das konzert beginnt um elf. und gefällt dir gut. du machst ein gutes foto, immerhin.




als die band um halb eins aufhört zu spielen, kommt ihr ins gespräch. sehr sympathisch. let´s stay in touch and good luck with your photos - du wirst sehen.

heute ist nicht dein tag. das wurde dir gegen mittag klar. eins kam zum anderen. verständnis wäre jetzt schön, aber leider niemand erreicht. es gibt noch eine chance: musik heute abend...

... gibt es ein land, von dem ich gehört habe, irgendwann mal, in einem wiegenlied.

du hast gerade ein totales rio-reiser-revival. es gibt einige, ganz besondere stimmen, die können eine gänsehaut auf deine haut zaubern und im nächsten moment bist du so tief berührt, dass du dankbar bist für dieses verrückte kleine leben.
und es ist einfach nur schade, dass es diesen charismatischen und unglaublich brennenden musiker nicht mehr gibt, obwohl er doch so bildhaft vor dein auge tritt, während du seiner musik lauscht.

du kommst von einem konzert und hast wieder mal die letzte bahn vepasst. gerade heute, wo du dich so schlapp fühlst, deine beine dich mit mühe durch den tag getragen haben, musst du die weite strecke vom bahnhof durch die stadt radeln. es regnet nicht. immerhin.
dir tut alles weh. nachdem du lange gewartet hattest, bist du vor den zuschauern und den musikern die bühne entlang gekrochen, hast dabei versucht, dich unsichtbar zu machen.
jetzt sieht dich auch niemand, wie du über die roten ampeln fährst, durch den menschenleeren park. vor dir liegt ein neuer tag, an dem du nicht weisst, wo du genügend geld zum überleben herkriegen sollst. dir bleibt nichts übrig als zu glauben, dass sich alles finden wird. aber das ist morgen. heute begleitet dich musik durch die nacht und trägt dich irgendwie nach hause.

du hast heute etwas sehr aufregendes erlebt. du kannst das nicht in worte fassen. und die digifotos mit dem weitwinkel treffen es auch nicht. es ist ein bisschen so, wie ein wachtraum, der einfach so passiert. auf einmal bist du dort, wo du dich hingewünscht hast. es ist nicht spektakulär, du bist einfach da und es fühlt sich richtig an. klingt das etwa verworren? vielleicht werden es die schwarzweissfotos zeigen...



jedenfalls haben die securities heute abend keine macht über dich.

oder wie ich vom arcade fire konzert in die preview von star wars geschlittert bin... momentan einfach nur überwältigt. demnächst mehr.

heute morgen eine tote maus im flur gefunden. weder kamera noch mann im haus, aber immerhin einen stolzen kater...

30stunden-berlin-marathon hinter mir. müde, voller eindrücke, bilder. ein wochenende auszeit von sorgen rund um´s thema finanzen. und hoffentlich bald meine geliebte kamera wieder aus der reparatur zurück - obwohl ich ja in der zwischenzeit bereits mit dem neuesten modell geliebäugelt habe...