Donnerstag, 21. Juli 2005
kampf
du gehst nach langer zeit mal wieder persönlich zum schalter der deutschen bahn. du willst dir einen gutschein ausstellen lassen. den bekommst du dafür, dass dein letzter zug aufgrund eines selbstmörders schlappe 218minuten verspätung hatte. dafür, dass du an einem donnerstagmorgen um 4uhr 13 totmüde nach hause gewankt bist, sollst du 20% des reisepreises bekommen, wenn du innerhalb von 4 wochen das ticket vorlegst.

der typ von der bahn mustert genau den fahrschein und die bestätigung für die verspätung. er beginnt das gespräch damit, dass es eigentlich nicht richtig sei, dass dir dafür 20% gutgeschrieben werden, da es sich um einen vorfall handelt, für den die db ja nichts könne.
du antwortest ihm, dass du dich daran erinnerst, wie müde du am nächsten tag warst und dass du es verschwindend gering finden würdest, nur 20% erstattet zu bekommen.
der mann schüttelt den kopf während er sagt "aber richtig ist das nicht, denn das wäre ja das eigene risiko bei einer bahnfahrt, dass so ein vorfall passieren könne". er beginnt, ein ellenlanges formular auszufüllen.
dich macht das supersauer, du atmest tief durch.
"ich möchte noch eine verbindung nach südfrankreich wissen." du nennst ihm die eckdaten.
"welcher bahnhof soll das denn in paris sein?"
"mir gleich."
"sie müssen mir schon den namen sagen. in paris gibt es 4. und in berlin z.b., da gibt es 30.
"nein", sagst du fest und pfeilschnell "nein, ich muss ihnen das nicht sagen. das erwarte ich ehrlich gesagt von ihnen. und die bahnhöfe von berlin zähle ich ihnen auch nicht auf."
feindselig schauen wir uns an. schweigen. der herr von der bahn tippt und tippt in seinen computer.
dann erzählt er davon, dass er natürlich auch nicht wisse, wie die bahnhöfe in paris heissen und wie sehr es ihn ärgert, dass es immer weniger schalter gibt, weil viele leute im internet tickets kaufen und sie 3 arbeitsplätze allein in altona wegrationalisiert hätten.
bei dir klickt es. du warst mit einem internetticket zu ihm gekommen. so waren für ihn die fronten klar.
du sagst etwas freundliches zu ihm und nach ein paar minuten verabschiedet ihr euch zumindest höflich und angemessen.

dir fällt mal wieder auf, wie angespannt du geworden bist. wie feindselig du alles auffasst. wie sehr du auf angriff aus bist, einen kampf erwartest.

schnellen schrittes gehst du durch die bahnhofshalle. eine obdachlose mit einem fetten veilchen spielt mundharmonika. immer dieselbe melodie, eigentlich ist es noch nicht einmal eine melodie. irgendwas rührt dein herz an und du suchst nach kleingeld. drei minuten brauchst du, bis du den schein von jemand gewechselt bekommen hast. du drückst der frau eine münze in die hand und hastest weiter.

auf dem weg zum zug merkst du, was für eine scheissangst du manchmal hast vor diesem leben.

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Der Mann am Schalter... nun ja. Früher™ haben die einem ja manchmal selbstherrlich das Sprechkläppchen am Schalter zugeklappt, weil Pause war. Heute gibt es Konkurrenz, das bringt ins Schwitzen. Schuld sind ja immer die anderen - oder das Internet.

Ich hingegen habe mich heute über das Internetangebot der Bahn geärgert als ich einen Zug nach Rennes suchte. Erst muß man alle möglichen persönlichen Daten angeben, weil sonst kein Preis berechnet werden könne. Dann erhält man als Ergebnis: "Preisauskunft nicht möglich".

Da gehe ich doch mal zum Schalter ;-)

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viel glück! und besser vorher mal durchatmen;)

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wie paradox das ist. da knabbert dieser mensch an der tatsache, dass das internet seinen job gefährdet - was ja nur verständlich ist. doch anstatt die gelegenheit zu nutzen, einen gebeutelten kunden wieder mittels freundlichkeit ans unternehmen zu binden, und dazu zu zeigen, was persönliche beratung ausmacht...

ich denke mal, die feindseligkeit hat er in die situation gebracht, nicht du. was hätte es ihn gekostet, einfach nur freundlich die rückerstattung abzuwickeln, oder ein kurzes verständnisvolles nicken? ich werde da genauso sauer, wenn ich mich zusätzlich zum ärger auch noch für die wahrnehmung meines anspruchs rechtfertigen müsste. gerade weil ich keiner bin, der gerne mal reklamiert.

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ja, ich habe in der situation wirklich jemanden getroffen, der schon schlecht gestimmt war. und ich war ja auch nicht so gut auf die bahn zu sprechen.
aber ich erinnere mich gut daran, dass es zeiten gab, wo ich über solche vorfälle gelacht habe. wo ich so einen herren einfach ein wenig gefoppt hätte, mit einem augenzwinkern und leichtigkeit.

danach sehne ich mich - nach dieser leichtigkeit.

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ich sehe das so : in der schaltersituation gibt es den dienstLEISTER und den kunden, also den dienstEMPFÄNGER.
da du eindeutig die kundin warst, hatte er damokles schwert des service über sich schweben und schon die haare drin.
mich machen so leute fuchsig, denen ich ihren job UND ihre miese laune abnehmen soll. egal, ob PMS oder sonnentag, die bekommen meinen senf dazu, wie ich es gelernt habe : kind, bestimmt aber höflich.

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Ja, diese Leichtigkeit, die einem so schnell abhanden kommt und so schwer wieder einzufangen ist.

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Ich muß sagen, ich bin sehr erleichtert, daß nicht nur ich mit den DB Schaltern Probleme zu haben scheine. Ich kriege da jedes Mal einen Krampf. Vor ein paar Jahren haben wir solche Spielchen gespielt a la wieso kostet das von hier aus mehr, als wenn ich das Ticket zu Hause kaufe? (Heimatort)

Da lob ich mir unser telefonische Auskunft zum Ortstarif, die Menschen dort sind meistens nett und hilfsbereit und das bis 20h oder so. Zusätzlich kriegt man bei uns auf den Bahnhöfen, die ein Reisecenter haben, auch ordentlich Auskunft (auch wenn seltsamer Weise die Tickets jedes Mal einen anderen Preis haben). Solche Scherze, wie ich in .de erlebt habe, bleiben einem hier fast gänzlich erspart.

Da fällt mir ein - mit deutschen Postämtern hab ich ähnliche Erfahrungen gemacht, bzw. mit dem Versuch normale Briefmarken zu bekommen.

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